Tausende Männer sind in Russland zu Unrecht für Putins Feldzug gegen die Ukraine eingezogen worden, wie der Generalstaatsanwalt nun zugegeben hat. Und: Paris schickt Kiew zwölf weitere Caesar-Haubitzen. Die News.
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Moskau räumt irrtümliche Mobilisierung von 9000 Russen ein
16.33 Uhr: Russland hat zugegeben, seit dem vergangenen Herbst mehrere Tausend Männer zu Unrecht für den Krieg gegen die Ukraine in die Armee eingezogen zu haben. »Mehr als 9000 Bürger, die unrechtmäßig mobilisiert wurden, wurden zurück nach Hause gebracht – darunter auch diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen auf keinen Fall hätten einberufen werden dürfen«, sagte Generalstaatsanwalt Igor Krasnow bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin.
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Kritische Beobachter gehen allerdings davon aus, dass bei der im vergangenen September von Putin angeordneten Mobilmachung noch deutlich mehr Menschen gesetzeswidrig rekrutiert wurden – und möglicherweise nie zurückkehrten. Insbesondere in den ersten Wochen wurden vielerorts chaotische Zustände in den Militärmeldeämtern geschildert. Diese hatten nach offiziellen Angaben landesweit insgesamt 300.000 Männer für die Front einzogen. Auch Generalstaatsanwalt Krasnow attestierte den Militärstrukturen seines Landes nun rückblickend »eine Masse an gravierenden Problemen«.
Nach ukrainischen Angaben will Russland nun offenbar weitere 500.000 Männer für eine Frühjahrsoffensive in seinem Angriffskrieg mobilisieren (lesen Sie hier mehr).
Frankreich schickt der Ukraine zwölf weitere Caesar-Haubitzen
16.07 Uhr: Frankreich wird zwölf weitere Caesar-Haubitzen in die Ukraine schicken und zudem mit 150 Armeeangehörigen ab Ende Februar monatlich 600 ukrainische Soldaten in Polen ausbilden. Das sagte der französische Verteidigungsminister Sebastien Lecornu nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen Oleksyj Resnikow in Paris. Zudem betonte er, dass die Lieferung von Kampfjets »kein Tabu« sei.
Kiew erwartet bis zu 140 Kampfpanzer und verhandelt wegen Kampfjets
15.38 Uhr: In den kommenden Monaten erwartet die Ukraine 120 bis 140 moderne westliche Kampfpanzer der Typen Leopard 2, Challenger 2 und M1 Abrams. »In der Panzerkoalition sind derzeit zwölf Teilnehmer«, sagte Außenminister Dmytro Kuleba in einer Videobotschaft. Alle Teilnehmerstaaten könne er derzeit nicht nennen, da einige noch formale Prozeduren durchlaufen müssten, sagte Kuleba weiter. Kiew hoffe auch sehr auf französische Leclerc-Panzer und größere Liefermengen aus bereits beteiligten Staaten.
Kuleba drängte erneut auf die Lieferung von Kampfflugzeugen und Raketen von bis zu 300 Kilometern Reichweite. Dafür führe man bereits Verhandlungen, sagte er. Parallel dazu reiste Verteidigungsminister Olexij Resnikow Medienberichten zufolge nach Paris. Frankreich gilt als eines der Hauptländer bei der möglichen Lieferung von Kampfflugzeugen für die Ukraine. Der Sprecher der Luftwaffe, Jurij Ihnat, hatte den Bedarf mit 200 Jets angegeben. Vor dem russischen Überfall vor etwas mehr als elf Monaten hatte Kiew westlichen Experten zufolge etwas mehr als 100 einsatzfähige Kampfjets sowjetischer Bauart.
Lettland verlängert erneut Ausnahmezustand an Grenze zu Belarus
15.10 Uhr: Lettland hat den Ausnahmezustand in den Regionen entlang der Grenze zum benachbarten Belarus erneut verlängert. Auf Beschluss der Regierung in Riga gilt die Sonderregelung in dem baltischen EU- und Nato-Land nun bis zum 10. Mai, wie das lettische Innenministerium mitteilte. Der Ausnahmezustand wurde im August 2021 verhängt, weil Tausende Menschen versucht hatten, von Belarus aus illegal über die EU-Außengrenze zu gelangen.
Mit der Verlängerung bleibt der lettische Grenzschutz ermächtigt, unrechtmäßig aus Belarus eingereiste Migranten zurückzuschicken. Die Europäische Union hat dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vorgeworfen, in organisierter Form Migranten aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen.
Polen sieht in Lieferung von F-16-Jets an Kiew derzeit »kein Thema« – auch Großbritannien winkt ab
14.23 Uhr: Polen führt Regierungsangaben zufolge mit Kiew keine Gespräche über die Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine. »Es gibt derzeit keine offiziellen Diskussionen über die Überführung von F-16«, sagte Wojciech Skurkiewicz, Staatssekretär im polnischen Verteidigungsministerium, der Nachrichtenagentur AFP. »Das Thema gibt es nicht«, fügte er hinzu.
Damit widersprach er Aussagen des Leiters des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak. Dieser hatte am Montag auf Telegram geschrieben, man sehe »positive Signale aus Polen«, das bereit sei, F-16-Kampfjets »in Abstimmung mit der Nato zu übermitteln«. Die ukrainische Führung bittet ihre westlichen Verbündeten aktuell, nach Kampfpanzern auch Kampfjets zu liefern.
Bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs hatte es Ideen gegeben, dass Polen der Ukraine alte MiG-29-Kampfjets aus sowjetischer Fertigung liefern und dafür F-16-Maschinen aus den USA erhalten könnte. Die USA hatten das damals aus Sorge vor einer Eskalation des Kriegs blockiert. Auch aktuell lehnen die USA – und Deutschland – die Lieferung von Kampfjets ab.
Großbritannien äußerte sich nun ähnlich: »Die britischen Jets sind extrem anspruchsvoll, und es dauert Monate, um sie fliegen zu können«, sagte ein Sprecher des britischen Premierministers Rishi Sunak der Nachrichtenagentur Reuters. Die Flugzeuge seien deswegen ungeeignet für die Ukraine. Dagegen haben Frankreich und die Niederlande eine Lieferung von Kampfjets nicht ausgeschlossen.
Russe wegen Brand in Militärmeldestelle als »Terrorist« verurteilt
13.07 Uhr: Ein russisches Gericht in Sibirien hat einen Mann nach angeblicher Brandstiftung in einem Militärmeldeamt wegen »Terrorismus« zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Es sei das erste Urteil wegen »Terrorismus« in einem solchen Fall in Russland, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass. Das Gericht sah es demnach als erwiesen an, dass der Mann das Feuer Anfang Mai in der westsibirischen Stadt Nischnewartowsk gelegt hatte. Es brannte der Anklage zufolge auf einer Fläche von einem Quadratmeter, niemand wurde verletzt.
Russland hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Gesetze verschärft, um Kritik und Widerstandsaktionen gegen den Krieg härter zu bestrafen. Seit Beginn des von Kremlchef Wladimir Putin begonnenen Angriffskriegs gegen die Ukraine gab es zahlreiche Brandstiftungen an militärischen Einrichtungen. Gerade die Militärmeldestellen, die zur Mobilmachung der Bevölkerung dienen, sind bereits mehrfach Ziel von Angriffen geworden.
Offenbar Prämien bei Abschuss oder Kapern von Leopard-2-Panzern
12.37 Uhr: Nach Medienberichten haben sowohl der Gouverneur der russischen Region Transbaikalien, Aleksandr Osipov, als auch ein russisches Unternehmen in Jekaterinburg Prämien für die Zerstörung westlicher Panzer ausgelobt. Osipov verspricht demnach drei Millionen Rubel (etwa 40.000 Euro) für jeden erbeuteten Leopard-Panzer. Das in Jekaterinburg registrierte Chemieunternehmen Fores lobt angeblich fünf Millionen Rubel (etwa 65.000 Euro) für jeden zerstörten Abrams- oder Leopard-2-Panzer aus sowie weitere 500.000 Rubel für anderes Militärgerät.
Litauens Präsident gegen Tabus bei Waffenlieferungen an Ukraine
12.26 Uhr: Der Westen sollte sich im Ukrainekrieg bei Waffenlieferungen alle Optionen offen halten, fordert Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda. »Diese roten Linien müssen überschritten werden«, sagte Nauseda mit Blick auf Vorbehalte zu der von Ukraine geforderten Kampfflugzeugen und Raketen mit größerer Reichweite. Diese Waffensysteme seien eine »unverzichtbare militärische Hilfe«. Ein Wendepunkt im Krieg stehe bevor. »Es wichtig, dass wir unverzüglich handeln«, sagte der Staatschef des baltischen EU- und Nato-Landes in einem Interview im litauischen Fernsehen.
Nauseda verwies darauf, dass seit dem russischen Angriff auf die Ukraine bereits einige rote Linien überschritten worden seien. »Nach Kriegsausbruch erklärte Deutschland zunächst kategorisch, dass es nur Westen, Helme und dergleichen schicken würde, keinesfalls aber Waffen«, sagte er mit Blick auf die deutsche Militärhilfe und fügte hinzu: »Ich spreche nicht nur von Panzern. Der EU-Kandidatenstatus der Ukraine war auch einst ein Tabu.«
Human Rights Watch dokumentiert Einsatz verbotener Landminen
11.51 Uhr: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat die Ukraine dazu aufgefordert, Vorwürfe über den angeblichen Einsatz von verbotenen Landminen zu untersuchen. Es geht dabei um Berichte, nach denen das ukrainische Militär Tausende von Antipersonenminen in und um die östliche Stadt Isjum eingesetzt haben soll, als die russischen Streitkräfte das Gebiet besetzt hatten.
Human Rights Watch wies darauf hin, dass die Organisation im vergangenen Jahr drei Berichte veröffentlicht hatte, in denen russischen Streitkräften der Einsatz von Landminen vorgeworfen wurde.
Nach Angaben von HRW geht es um die Streuung sogenannter Antischützenminen durch Raketen oder Artillerie. Diese Minen könnten nicht zwischen Soldaten und Zivilisten unterscheiden, erklärte Steve Goose, der Direktor der Abteilung Waffen bei der Organisation. »Die russischen Streitkräfte haben wiederholt Antipersonenminen eingesetzt und im ganzen Land Gräueltaten begangen. Das rechtfertigt jedoch nicht den ukrainischen Einsatz dieser verbotenen Waffen.« Die Minen würden zur Vertreibung von Zivilisten führen, die Landwirtschaft und die Lieferung humanitärer Güter behindern.
Human Rights Watch dokumentierte den Einsatz von Antipersonenminen in neun verschiedenen Gebieten in und um die Stadt Isjum und stellte elf zivile Opfer durch diese Minen fest.
Landminen sind oft nur so groß wie ein Handteller und können vom Boden oder aus der Luft mit Raketen über größere Gebiete verteilt werden. Sie liegen im Boden und explodieren, wenn jemand sich nähert oder darauf tritt. Die meisten Opfer sind Zivilisten.
Ein Toter und vier Verletzte bei russischen Angriffen
11.14 Uhr: In der Ukraine sind in den vergangenen 24 Stunden durch russischen Beschuss in mehreren Teilen des Landes mindestens ein Mensch getötet und vier verletzt worden. Das berichtet die Onlinezeitung »Kyiv Independent« unter Berufung auf örtliche Behörden.
In Region Charkiw seien ein 62-jähriger Mann getötet und eine 83-jährige Frau getötet worden, schrieb Gouverneur Oleh Syniehubow am Dienstagmorgen auf Telegram. Es seien Wohnhäuser, Industrieanlagen, eine Polizeistation und Privathäuser beschädigt worden.
Nach Angaben des Gouverneurs der Region Donezk, Pavlo Kyrylenko, sind durch russischen Beschuss unterdessen drei Menschen in drei Orten nahe und entlang der Frontlinie verletzt worden. In mehreren Gemeinden seien Wohnhäuser getroffen worden.
Russische Truppen hätten auch andere Regionen wie Cherson, Saporischschja oder Dnipropetrowsk beschossen, berichtete der »Kyiv Independent«. Dabei seien Wohnhäuser und Energieinfrastruktur getroffen worden.
London traut Kremltruppen in Donezk nur lokale Gebietsgewinne zu
10.27 Uhr: Ein bedeutender Durchbruch der russischen Truppen in der Ukraine ist derzeit nach Ansicht britischer Militärexperten unwahrscheinlich. Das ging aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor. Demnach versuchen russische Kommandeure derzeit in den von der Ukraine gehaltenen Teil der Region Donezk vorzurücken. »Es gibt eine realistische Möglichkeit, dass Russland weiterhin lokale Gebietsgewinne in dem Bereich macht«, so die Mitteilung. Ein bedeutender Durchbruch sei aber angesichts unzureichender ungebundener Truppen unwahrscheinlich.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar vergangenen Jahres unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
Biden sagt Nein zu F-16-Jets, Lula will mit China vermitteln
7.40 Uhr: US-Präsident Biden bremst in der Kampfjetdebatte. Emmanuel Macron schließt dagegen vorerst nichts aus. Und: Brasiliens Staatschef Lula bringt sich als Vermittler ins Spiel. Lesen Sie hier die Entwicklungen aus der Nacht.
Paderborn: Mutter ließ Töchter überflüssigerweise operieren – dreieinhalb Jahre Haft
Sie ließ der einen Tochter einen künstlichen Darmausgang legen, der anderen eine Magensonde: Eine Frau ist in Nordrhein-Westfalen schuldig gesprochen worden – sie soll das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom haben. Das Landgericht Paderborn hat eine 34-Jährige zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil sie zwei ihrer Kinder unnötigen Operationen ausgesetzt hat. Die Strafkammer sprach sie nach fast zweimonatiger Prozessdauer […]