Gast bei „hart aber fair“ platzt der Kragen: „Wissing kann oder will nicht!“
Deutschland verfehlt schon wieder seine Klimaziele – wie radikal darf der Protest dagegen sein?
Köln – Die vor der Talkshow in der ARD ausgestrahlte Doku „Neureuther – Skifahren trotz Klimawandel?“ diente Louis Klamroth als Aufhänger für seine erste Frage an „Wetterfrosch“ Sven Plöger: „Wir haben sie in der Doku vor grünen Wiesen gesehen. Nun hat es aber geschneit, die deutschen Ski-Gebiete sind offen. Ist das Problem also gar nicht so groß?“
Plöger erinnert bei „hart aber fair“ daran, dass wir gerade im Januar einen Blick in die Klimazukunft hatten: „Wir haben das Extremwetter heute so – siehe Flutkatastrophe usw. – wie es uns die Wissenschaft vor 30 Jahren vorausgesagt hat.“ Klamroth hakt nach und will wissen: „Woher weiß ich, dass das mit dem Klima zu tun hat?“ „Weil die warmen Phasen immer häufiger kommen“, bringt es Plöger auf den Punkt. Outet sich als begeisterter Skifahrer- und hat sich geschworen, nie wieder auf Kunstschnee-Pisten zu fahren: „Da mach ich lieber eine Pause!“
„hart aber fair“ (ARD): Hildegard Müller macht das ganz große Fass auf
Von einem Innehalten will Gitta Connemann bei „hart aber fair“ nichts wissen, schließlich habe der Skisport ja Reichtum in eine vorher arme Gegend gebracht. Die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion weiß, was sie ihren potenziellen Wählern schuldig ist und sieht eher in der An- und Abreise der Touristen das Problem: „Da werden 60% des Co2-Ausstosses produziert.“ Ski-Kanonen und Lifte will sie weiter subventionieren, setzt auf neue, kluge Technologien.
Aimée van Baalen hält dagegen, dass wir momentan noch zu viel Energie mit fossilen Stoffen erzeugen, um Kunstschnee zu produzieren. Konstantin Kuhle macht erstmal Reklame für seinen Wahlkreis im Harz als lohnenswertes Urlaubsziel – auch ohne Schnee. Und stimmt gleich die alte FDP-Leier an vom Tempolimit, mit dem man das Klima nicht retten kann. Auch er malt neue Technologien als Retter aus der Krise an die Wand.
Sofort springt ihm die, durch Kuhles Partei immer aus der Schusslinie genommene Autoindustrie, durch ihre Verbandspräsidentin Hildegard Müller, zur Seite und macht das ganz große Fass auf: „Wir müssen Technologien entwickeln, die weltweit helfen, das Klima zu schützen“ – und spricht von 220 Milliarden Investitionen bis 2026.
„hart aber fair“ (ARD): Sven Plöger platzt der Kragen
Aber gerade beim Verkehr, „rechnet“ ihr Klamroth mit einem Einspieler in der ARD vor, wurden 2021 über 3 Millionen Tonnen mehr als eigentlich erlaubt und 2022 noch mehr Co2 ausgestoßen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) steuerte mit einem Sofortprogramm dagegen, das laut Expertenrat – salopp gesagt „für die Katz war“ – weil es noch nicht einmal die gesetzlichen Anforderungen an ein Sofortprogramm erfüllte.
„Kann der Verkehrsminister nicht oder will er nicht“, will Klamroth von Kuhle wissen. Und der entblödet sich nicht, dessen Untätigkeit, mit der geplanten Einführung des 49Euro Bahntickets und dem unzureichenden Ausbau der Schienen- und Elektrolade-Stationen, schönzureden. Und sein Seitenhieb auf den, zugegeben noch unfähigeren Vorgänger von Wissing, Andy Scheuer, wirkt da nur peinlich.
Da platzt selbst dem immer besonnenen Sven Plöger fast der Kragen: „Herr Wissing könnte schon mehr machen!“ Er zählt die wenigen Staaten, meist Entwicklungsländer, auf, die noch kein Tempolimit haben und fragt, warum wir nicht so eine einfache Sache wie das Tempolimit einführen, mit dem wir bis 2030 47 Millionen Tonnen CO₂ einsparen könnten. Kuhle antwortet nicht mit Argumenten, sondern den sattsam bekannten Parolen der FDP, für die das Tempolimit des Teufels ist.
„Hart aber fair“ (ARD) vom 30.01.2023 | Die Gäste der Sendung |
Gitta Connemann | Bundestagsabgeordnete, CDU |
Sven Plöger | Meteorologe |
Konstantin Kuhle | Stellvertretender Fraktionsvorsitzender, FDP |
Aimée von Baalen | Aktivistin und Sprecherin der |
Hildegard Müller | Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie |
Als Aimée van Baalen ihm vorhält, dass man im Angesicht der Klimakrise doch alles umsetzen muss, was machbar – und zudem noch, wie das Tempolimit, keine Kosten verursacht – ist, bekommt sie tosenden Beifall vom Studio-Publikum. Hildegard Müller ist die einzige – wen wunderts -, die Kuhle zur Seite springt und mit ihm die alte Keule von den 96 % Autobahnkilometern schwingt, auf denen eh schon ein Tempolimit herrscht.
Gitta Connemann plädiert eher für eine Beschleunigung der Planungsverfahren beim Straßen- und Brückenbau und die Zulassung synthetischer Treibstoffe, die wiederum die Grünen verhindern. Als sie auch noch die Weitebetreibung der Atomkraftwerke aufs Tapet bringt, vertröstet sie Klamroth auf eine spätere Talkrunde – weil noch ein Thema im Raum steht, dass vielen auf den Nägeln brennt: Die Proteste der „Letzten Generation“.
Diskussion über Klimaaktivisten bei „hart aber fair“
Für Connemann („Wer sich für den Klimaschutz engagiert, der klebt sich nicht fest“) sind das Rechtsbrecher, die ihrer eigenen Sache mehr schaden als nützen. Sie rät bei „hart aber fair“ den AktivistInnen, sich politisch zu engagieren und den Gang durch die Institutionen anzutreten. Klamroth versuchts noch mal mit einer Statistik: „84 % der deutschen sind gegen die Klebe-Aktionen“. van Baalen kontert mit einer anderen Statistik, die sagt, dass 50 % der jungen Leute, deren Zukunft letztendlich gefährdet ist, diesen Protest akzeptieren.
Sven Plöger ist zwar gegen das „Festkleben“, sieht aber auch eine große Verzweiflung bei der Jugend. Er stellt als Gegenvorschlag eine „Bis dahin Regel“ vor: Bis die neuen Technologien einsetzbar sind, setzen wir die alten aus. Also: Inlandflüge erst wieder mit umweltfreundlichem Treibstoff. Frau Müller lässt wieder die beinharte Lobbyistrin der Automobil-Industrie raushängen und behauptet, die 800.000 Mitarbeiter ihrer Branche arbeiten täglich an der Bewältigung der Klimakrise. Heisse Luft aber vehement „rausgeblasen“.
Und dann wird es noch einmal heftig in der Runde, als van Baalen die Forderung der „Letzten Generation“ nach einem Gesellschaftsrat aus Experten und „normalen Bürgern wie Du und Ich“ erläutert, dessen Vorschläge dann verbindlich umgesetzt werden müssen. Das ist dann Gitta Connenmann dann doch zu viel: „Ich bin auch ein normaler Bürger“.
Befürchtung in der ARD: Linksextreme unterwandern die „Letzte Generation“
Auch Kluhe ist gegen dieses „Auslosen“ von Entscheidungsträgern, spricht von einem Weg in den Willkürstaat, befürchtet die Infiltration der „Letzten Generation“ durch Linksextreme. Mit ihrer dogmatischen Haltung macht sich van Baalen keine Freunde in der Runde, muss sich von Klamroth die etwas hämische Frage gefallen lassen, ob und von wem sie ein Gehalt für ihre Aktivitäten erhält. Kluhe tritt nach und behauptet, sie wird dafür bezahlt, dass sie sich auf die Straße klebt. Auch Connemann unterstellt ihr, dass sie die Demokratie mit Füßen tritt.
Klamroth versucht die Geister, die er – ohne Not – rief, wieder einzufangen und schwenkt nochmal auf die Elektromobilität um: „Kann sich der Normalverbraucher überhaupt die teuren Elektroautos leisten?“. Hildegard Müller leugnet hartnäckig, dass die Branche die Entwicklung verschlafen hat und jammert über die schlechten Bedingungen hierzulande (Hohe Energiekosten, keine Batteriefabriken). Dass die Autoindustrie gegen die Strukturnachteile nicht innovativ dagegen gearbeitet hat, verschweigt sie dabei und schwingt sich zu einem Plädoyer für erneuerbare Energien auf, das in Anbetracht der bisherigen Politik der Branche gleichwohl ein wenig heuchlerisch klingt.
Klamroth läßt sie damit durchkommen, ohne sie zu „entlarven“, genauso wie er des Öfteren sich in Diskussionen verwickelt, anstatt den „Moderator“ in den Vordergrund zu stellen. Immerhin war es die lebendigste und irgendwie unterhaltsamste Talkshow seiner noch kurzen „Hart aber Fair“-Zeit, die an diesem Abend wie im Fluge verging. (Rolf-Rüdiger Hamacher)
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